Digitale Nomaden in Kroatien: Erfahrungen und Fakten

Digitale Nomaden in Kroatien

Unter dem Hashtag #CroatiaYourNewOffice ist die Kroatische Zentrale für Tourismus derzeit bestrebt, digitale Nomaden in Kroatien anzusiedeln, und zwar für bis zu zwölf Monate. Aber was genau sind digitale Nomaden? Der Begriff ist leicht erklärt: Es handelt sich um Menschen, die von Ort zu Ort reisen und digital am Computer arbeiten – entweder in Festanstellung oder selbstständig.

Seit ich im Dezember 2020 alle Zelte in Berlin abgebrochen habe, führe ich solch einen Lebensstil und bin seit dem 1. August 2022 digitale Nomadin in Kroatien. Bevor ich dir von meinen bisherigen Erlebnissen berichte, beleuchte ich zunächst die Fakten. So erfährst du, was du beachten solltest, wenn du Kroatien als deine neue Heimat auf Zeit auswählst.

Das sollten digitale Nomaden beachten

Als EU-Bürgerin mit deutschem Pass habe ich das Recht, mich in jedem anderen EU-Land (wie beispielsweise Kroatien) niederzulassen, dort zu leben, zu arbeiten, zu studieren oder mich zur Ruhe zu setzen. Laut Angaben auf der Website der Europäischen Union sind EU-Bürger offiziell verpflichtet, sich nach spätestens drei Monaten im Land ihres Aufenthalts zu registrieren. Wer länger als drei Monate bleiben möchte, wird aufgefordert einen Wohnsitz anzumelden.

Wenn du aus einem Nicht-EU-Land stammst, musst du vor deiner Einreise einen Antrag des kroatischen Innenministeriums ausfüllen: für eine Aufenthaltsgenehmigung für maximal ein Jahr. Sobald der Antrag genehmigt ist, hast du die Berechtigung, deinen Lebensmittelpunkt nach Kroatien zu verlagern.

Wo leben digitale Nomaden in Kroatien?

Digitale Nomaden in Kroatien haben unterschiedliche Möglichkeiten, sich eine Unterkunft zu organisieren, die ihrem Geschmack und Budget entspricht. Zum Beispiel kannst du in der Facebook-Gruppe Digital Nomads Croatia Housing nach Wohnungsinseraten stöbern. Außerdem gibt es Airbnb, wo ich bisher fast all meine Wohnungen gebucht habe – so auch mein Apartment in Zagreb im August. Für September bietet mir einer meiner Kooperationspartner das Sommerhaus seiner Familie auf Hvar kostenfrei an. Bis er mir zehn Tage vor meiner Ankunft mitteilt, dass sein 92-jähriger Opa keine Fremden unter seinem Dach duldet!

Kurz laufe ich also Gefahr, in Kroatien obdachlos zu werden, entdecke aber nach einer Weile des Suchens auf dem oben genannten Buchungsportal eine schöne, bezahlbare Wohnung auf Korčula. Was ich bei meiner Buchungsanfrage noch nicht ahne: Die Besitzerin hat das Apartment bereits über die Facebook-Gruppe an eine digitale Nomadin aus Japan vermietet. Trotz ihrer Absage scheint sie erkennen, unter welchem Druck ich stehe, in der Kürze der Zeit ein Dach über dem Kopf zu finden. Sie empfiehlt mir das geräumige Apartment ihrer Bekannten Karmen, die auch im September vermieten möchte. Was ich noch nicht weiß: Dies ist ein echter Glücksgriff für mich, doch dazu später mehr.

Zurück zu den Fakten: Es formieren sich auch sogenannte Co-Living-Projekte für digitale Nomaden in Kroatien. Eines der ersten war das Digital Nomad Valley Zadar, dessen Website inzwischen nicht mehr aufrufbar ist. Dabei handelte es sich um eine Siedlung für digitale Nomaden in einem Hotelkomplex im Stadtteil Borik. Außerhalb der Saison konnte man dort Zimmer mieten und sich in den Gemeinschaftsbereichen mit Gleichgesinnten austauschen. Auch gemeinsame Freizeitaktivitäten standen auf der Tagesordnung. Solche Projekte eignen sich für alle, denen Vernetzungen mit anderen digitalen Nomaden wichtig sind – sei es im privaten oder geschäftlichen Kontext. Gerade in Krisenzeiten ist ein funktionierendes Netzwerk überlebenswichtig …

Digitale Nomaden beim Co-Working
Digitale Nomaden beim Co-Working, Foto: Marvin Meyer / Unsplash

Was macht das Land für Nomaden so attraktiv?

Wenn du das milde Klima und die wunderschöne Natur in Kroatien liebst, bist du perfekt im Land aufgehoben. Wer aber ständig von Ort zu Ort reist, der hat längst erkannt, dass es auch andere landschaftlich eindrucksvolle Gegenden in Europa und der Welt gibt. Für Kroatien spricht neben den Schönheiten der Natur eine starke zwischenmenschliche Komponente: die außergewöhnliche Gastfreundschaft, mit der viele Einheimische Fremden begegnen.

Schon bei meinen kürzeren Kroatien-Reisen hat sie mir ordentlich das Herz erwärmt. Unter dem Dach meiner Gastgeberin Karmen Škaro in Korčula erlebe ich ein Paradebeispiel. Bereits am Abend meiner Ankunft gewährt sie mir Familienanschluss – mit einer Einladung zu ihrer Geburtstagsfeier im engsten Kreis. Im Laufe des Monats gehen wir zusammen tanzen, in einem der besten Restaurants der Stadt essen, baden gemeinsam im türkisblauen Meer und treffen uns mit Musikern in der Nachbarschaft. Zu meinem Glück gewinne ich Karmen als gute Freundin, die mir erzählt, dass sie eine besondere Vorliebe für digitale Nomaden habe. Für mich ein Anlass, ein Interview mit ihr zu führen!

Interview mit Karmen Škaro über digitale Nomaden

Kroatien-Liebe: Soweit ich weiß, bin ich die erste digitale Nomadin in deinem Apartment. Hast du es vorher an Touristen vermietet?

Karmen: Meine Familie und ich sind auf Langzeitmiete spezialisiert und vermieten nur sporadisch an Touristen. Urlauber können einem kurzfristig zwar mehr Geld bringen, aber man muss immer vor Ort sein und das bedeutet eine Menge Arbeit. Außerdem weiß man nie, wie sich die Saison entwickelt. Hier auf der Insel gibt es viel Konkurrenz unter Vermietern und der Großteil der Touristen will entweder in der Altstadt oder direkt am Meer logieren. Von unserer Wohnung ist es ein ungefähr 20-minütiger Spaziergang in die Altstadt und etwa 800 Meter bis zum nächsten Strand. Deshalb werden wir für Touristen erst interessant, wenn alle anderen Ferienwohnungen ausgebucht sind.

Mit digitalen Nomaden, die länger bleiben, kann ich besser planen und habe ein stabileres Einkommen. Viele meinen ja, dass Touristen einem leichtes Geld bescheren, aber das stimmt nicht. Die kurzen Aufenthalte bedeuten Hektik, außerdem ist der Tourismus heutzutage so konsumorientiert. Deshalb gerät die Work-Life-Balance im Sommer immer aus dem Gleichgewicht.

Im digitalen Nomadentum sehe ich für mich eine Chance, zu einem etwas geringeren Mietpreis mehr Freizeit zu haben, um Dinge zu tun, die mir wirklich Spaß machen. Die Art, wie sich der Tourismus entwickelt hat, betrachte ich als Gift für die Seele. Ich glaube wirklich, dass die Strukturen überdacht und neu definiert werden sollten! Digitales Nomadentum und moderne Technologien könnten wirtschaftlich eine gute Alternative sein für Gemeinden, die stark vom Massentourismus abhängig sind.

Mir geht es übrigens nicht nur darum, dass digitale Nomaden in Kroatien mein Apartment beziehen. Es ist mir genauso wichtig, mich zu verbinden und Wissen zu teilen. Das ist meine Philosophie und ich unterstütze tatsächlich Gäste, die ähnlich denken.

Arbeitsplatz für Nomaden
Arbeitsplatz in Karmens Apartment, Foto: Kroatien-Liebe

Kroatien-Liebe: Wie machst du Werbung für dein Apartment, um insbesondere digitale Nomaden anzuziehen?

Karmen: In den letzten zwei Jahren habe ich es ein bisschen renoviert, um es für digitale Nomaden interessant zu machen. Deshalb hat das Apartment auch ein Büro. Dann habe ich dieses Jahr im Juli angefangen, es bei Airbnb und in der Facebook-Gruppe für Nomaden-Unterkünfte in Kroatien zu inserieren. In der Gruppe hatte ich bisher nicht so viel Glück, weil ich glaube, dass es die meisten digitalen Nomaden eher nach Split, Zagreb, Zadar und Istrien zieht. Wahrscheinlich werde ich auch Anyplace.com ausprobieren und auf meiner eigenen Website Werbung machen. Ich denke, das sollte reichen.

Kroatien-Liebe: Hast du selbst auch Pläne, digitale Nomadin zu werden? Als Webdesignerin und Content Writer arbeitest du ja längst von zu Hause aus.

Karmen: Mir gefällt die Idee von Freiheit, für die digitales Nomadentum steht. Die Tatsache, dass man überall auf der Welt arbeiten kann. Mein Job bedeutet für mich, dass ich meine kleine, relativ abgeschiedene Insel in Kroatien nicht zu verlassen brauche. Aber ich mag auch den Gedanken, dass es möglich wäre, weil ich meine Arbeit überall erledigen könnte.

Es fällt mir nur schwer, die Menschen und Dinge, die ich liebe zurückzulassen. Dank des Internets und der modernen Technologien könnten wir aber immer in Verbindung bleiben, während ich auf Reisen bin. In dem Sinne kann ich schon von mir behaupten, dass ich Pläne habe, digitale Nomadin zu werden.

So geht es weiter nach dem Korčula-Aufenthalt

Ganz bestimmt werde ich mit Karmen in Kontakt bleiben, wenn ich morgen Korčula verlasse und nach Dubrovnik weiterreise. Dass ich 2023 zurückkehre, ist aber bereits so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn du Lust hast, in der Zwischenzeit für eine Weile im Apartment von Familie Škaro zu wohnen, würde sich Karmen sicher freuen, wenn du dich über ihre Website mit ihr verbindest. (as)

Autor

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Annika Senger
Annika Senger ist Gründerin und Chefredakteurin des Reise- und Kulturportals Kroatien-Liebe. Die passionierte Bloggerin und Reisevermittlerin interessiert sich für Reisen, Musik, Literatur, Sprachen, Kochen und Fotografie.
Adresse: Berlin, Deutschland

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