Wie erleben „ganz normale“ Menschen die Coronakrise in Kroatien? Die Medien überschlagen sich zurzeit stündlich mit News über die Ausnahmesituation: Laut einer Statistik der Johns Hopkins University gelten weltweit 166.041 Menschen, in deren Organismus laut Test Coronaviren vorgefunden wurden, als genesen. 13.500 dieser Personen leben in Deutschland, 67 in Kroatien (Stand: 31. März 2020, 8:15 Uhr).
Der Zagreber Pianist und Musiklehrer Željko Vlahović fühlt sich kerngesund und ist, wie wohl die meisten Erden-Bewohner, von den Maßnahmen gegen Covid-19 betroffen. Wie nimmt er die Eingriffe in seinen Alltag wahr? In einem exklusiven Interview mit Kroatien-Liebe gewährt Željko Einblicke in seine Gedankenwelt.
Coronakrise in Kroatien: Interview mit Željko Vlahović
Kroatien-Liebe: Der Virus ist gerade in den Medien das Thema Nummer eins. Bedeutet die Coronakrise in Kroatien eine Ausgangssperre wie in Italien oder ein Kontaktverbot inklusive Laden- und Restaurant-Schließungen wie in Deutschland?
Željko: Es ist eine ganz ungewöhnliche Situation, hier in Kroatien und global. Aber ich finde, wir haben uns hierzulande sehr schnell an diesen neuen Zustand angepasst. Die Menschen befolgen die Sicherheitsverordnungen genau. Ja, wir bleiben zu Hause. Am Wochenende war Zagreb zum Beispiel fast leer, was natürlich untypisch für die Stadt ist. Ich war spazieren, das ist noch erlaubt. Wir dürfen auch einkaufen gehen, in der Schlange vor der Kasse im Supermarkt halten wir Abstand und desinfizieren im Laden die Hände. Ich glaube, diese Maßnahmen unserer Regierung sind noch rechtzeitig gekommen.
Kroatien-Liebe: Wie beeinflussen die Anti-Corona-Maßnahmen Dein alltägliches Leben? Du unterrichtest Klavierschüler, gibst Konzerte und sicher bist Du gerade gezwungen, auf all das zu verzichten, nicht wahr?
Željko: Ja, das stimmt. Aber ich finde es ganz schön, dass unser alltägliches Leben pausieren darf. Ich genieße es, nicht mehr in diesem Wirbel, in diesem Perpetuum mobile zu sein. Corona zeigt uns, dass wir gar nicht so viel brauchen und dass wir in der Ruhe in unser Inneres schauen sollen. Im Moment vermisse ich weder meine Konzerte noch meine Schüler. Ich vermisse gar nichts. Diese intime Situation, die jeder von uns im Augenblick hat, ist sehr wertvoll, denke ich.
Kroatien-Liebe: Keine Schüler und keine Konzerte führen zu null Einnahmen. Stellt der kroatische Staat für seine Bürger Finanzierungshilfen während der Coronakrise zur Verfügung?
Željko: Meiner Meinung nach ist es noch zu früh, eine genaue Antwort auf diese Frage zu geben. Ich bin mir sicher, dass wir wegen Corona nicht vor Hunger sterben oder alles verlieren werden. Ich sehe keine große Katastrophe. Ich bin sicher, dass die aktuelle Pause bald vorbei ist und wir alle neu starten werden.
Kroatien-Liebe: Was vermisst Du am meisten, während Deine persönlichen Freiheiten beschnitten sind?
Željko: Zuerst möchte ich sagen, dass ich das alles gar nicht so drastisch erlebe. Dass ich gar nicht fühle, dass meine Freiheit jetzt weggenommen oder beschränkt ist. Ich sehe das eher als Privileg, dass wir zu Hause sein, uns erholen und uns vor Corona schützen dürfen. (lacht)
Kroatien-Liebe: Was wirst Du als erstes tun, sobald diese Ausnahmesituation vorbei ist?
Željko: Gar nichts Besonderes. Ich werde mein normales Leben weiterführen und vielleicht ein bisschen ernsthafter Klavier üben als im Moment. Kein Drama! (lacht)
Kroatien-Liebe: Mitten in der Coronakrise ist Deine Heimatstadt Zagreb am 22. März von einem mittelschweren Erdbeben erschüttert worden. Wie hast Du die Katastrophe wahrgenommen?
Željko: Das war wirklich eine intensive Erfahrung, die mich an dem Morgen aus dem Schlaf gerissen hat. Es fühlte sich an, als würde mich jemand schütteln. Das war unglaublich stark, obwohl es gar nicht so lange dauerte. Das Zentrum von Zagreb ist leider sehr betroffen, viele Menschen haben dort ihr Zuhause verloren. Viele schöne Gebäude, viele Kirchen und Fassaden sind kaputt. Da ich aber nicht im Zentrum wohne und gerade zu Hause bleibe, war ich noch nicht dort, habe es bisher nur in den Nachrichten gesehen.
Dieser wunderschöne Konzertsaal im Hrvatski glazbeni zavod (Anmerkung der Red.: Kroatisches Musik-Institut), der neulich erst restauriert worden war, wurde beim Erdbeben beschädigt. Es war so traurig für mich, die Bilder davon zu sehen. Ich habe in diesem Saal schon als Jugendlicher Konzerte gegeben und bin emotional sehr mit dem Ort verbunden. Ich habe das Institut kontaktiert und angeboten, mit Benefiz-Konzerten zu helfen, den Wiederaufbau zu finanzieren.
Kroatien-Liebe: Nutzt Du die Zeit zu Hause, um neues musikalisches Repertoire einzustudieren? Wenn ja, welches?
Željko: Ich übe jetzt gar nicht so intensiv. Zu Beginn dieser Situation mit dem Coronavirus waren wir in Kroatien alle ziemlich verwirrt und ich war gar nicht in Stimmung, mich mental auf die Musik zu konzentrieren. Das war auch in dem Moment nicht so wichtig. Langsam fange ich wieder an, an meinen Transzendentalen Etüden von Franz Liszt zu arbeiten.
Kroatien-Liebe: Möge die Coronakrise in Kroatien und überall wirklich bald enden, lieber Željko. Bis dahin bleib gesund!
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