Beringung der Gänsegeier in der Kvarner Bucht

Gänsegeier

Die kroatischen Gänsegeier sind die größten und schwersten ihrer Art. Sie brüten Anfang des Jahres auf steilen Klippen am Meer, denn die karstigen Felsnischen bieten den Vögeln Schutz. Seit 1989 wird in den Nestern der Jungtiere in der Kvarner Bucht eine Beringung der Gänsegeier durchgeführt.

Cornelia Kruchten, die sich seit 2014 ehrenamtlich für den Schutz der Greifvögel in Kroatien engagiert, schildert die Gründe für diese Aktion des Vereins Grifon.

Interview über die Beringung der Gänsegeier

Kroatien-Liebe: Wer führt die Beringungsaktion der Geierküken durch?

Cornelia: Die Tiere werden unter der Leitung des Ornithologen Dr. Goran Sušić von einem Team Freiwilliger beringt. Die Nester befinden sich auf steilen Klippen direkt über dem Meer und sind nur vom Wasser aus zu erreichen. Deshalb werden professionelle Kletterer benötigt. Sie steigen vom Boot aus hoch bis über die Nester, sichern sich oben an Bäumen mit Seilen und klettern dann hinunter zu den Nestern. Per Funk werden sie vom Boot aus gelotst.

Beringung der Gänsegeier in der Kvarner Bucht
Brutgebiete der Gänsegeier, Foto: Grifon

Kroatien-Liebe: Wann und wo findet die Aktion statt?

Cornelia: Brutkolonien der Gänsegeier gibt es nur noch auf fünf Inseln in der Kvarner Bucht. Die Aktion findet Mitte Mai statt, weil die Küken dann ungefähr 75 bis 85 Tage alt und ihre Beine fast schon ausgewachsen sind. Natürlich hängt es auch vom Wetter ab, wann das Team starten kann. Nur wenn die Bura nicht zu sehr wütet, ist die Aktion gefahrlos durchzuführen. Die Männer sind Tag und Nacht auf dem Meer und etwa eine bis anderthalb Wochen unterwegs.

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Kroatien-Liebe: Warum werden die Jungtiere beringt?

Cornelia: Die kroatischen Gänsegeier sind vielen Gefahren ausgesetzt. Der hohe touristische Druck in den Naturschutzgebieten bzw. an den Brutfelsen bedroht die Tiere. Durch die Beringung der Gänsegeier kann man ihre Bewegungsmuster verfolgen. Wie weit müssen die Geierpaare fliegen, um ihre Küken mit Futter zu versorgen? Wo ziehen die jungen, noch nicht geschlechtsreifen Gänsegeier umher? In den ersten fünf bis sechs Lebensjahren gehen die Tiere auf Wanderschaft. Dabei reisen sie auf dem Balkan umher, bis runter nach Griechenland, Israel, Afrika, Spanien, Italien … Manchmal verirren sie sich auf der Suche nach Nahrung auch in unsere Gefilde.

Durch die dichte Besiedelung in Deutschland und die Hygieneverordnung der EU, die vorschreibt, dass tote Tiere in Tierkörperverwertungsanstalten entsorgt werden müssen, finden die Gänsegeier kaum Nahrung. Nicht selten kommt es vor, dass sie geschwächt entdeckt werden und in Wildtierstationen aufgepäppelt werden müssen.

Gänsegeier-Küken beringen in Kroatien
Gänsegeier-Küken, Foto: Grifon

Kroatien-Liebe: Was habt Ihr bereits mit vergangenen Beringungsaktionen für die Geier-Population bewirkt?

Cornelia: Dr. Sušić hat mit seinem Team im vergangenen Jahr die Schallgrenze von 1.000 beringten Gänsegeierküken übertroffen und über die Jahre durch diese Maßnahme schon Tausende von internationalen Sichtungsmeldungen erhalten. Auch Tiere, die durch Vergiftungen, Abschüsse oder andere menschengemachte Ursachen ihr Leben verlieren, können durch die Beringung identifiziert und der Tatort eingegrenzt werden.

Als Dr. Sušić vor über 25 Jahren beschloss, sich für den Erhalt der Vögel einzusetzen, waren gerade noch 60 Brutpaare auf den Inseln. Durch seine und die Arbeit vieler freiwilliger internationaler Helfer konnte die Zahl mehr als verdoppelt werden.

Leider hat der kroatische Staat Anfang 2018 die finanzielle Unterstützung wegen Etatkürzungen eingestellt und die Arbeit ist nur durch Spenden zu finanzieren. Neben der Beringung der Gänsegeier hatte der Verein auch eine Rettungsstation auf dem Festland bei Senj betrieben, um verletzte Tiere zu behandeln und sie für den Neustart ins Leben vorzubereiten. Auch ein Futterplatz, den der Verein vor Jahren betrieben hatte, sorgte dafür, dass sich die Population erholt. Doch seit der Schließung des Schutzzentrums geht die Zahl der Brutpaare wieder drastisch nach unten und steht abermals an der Schwelle des Aussterbens.

Kroatien-Liebe: Wieviel Geld benötigt Ihr und wofür werden die Spenden eingesetzt?

Cornelia: Es wäre eine große Hilfe, wenn wir zirka 500 Euro als Unterstützung zusammenbekämen, obwohl es die Kosten nicht decken würde. Die Schiffsmiete (inklusive Crew und Schiffsdiesel) und die Verpflegung der rund 15 Männer bewegt sich je nach Länge des Einsatzes im vierstelligen Bereich.

Die Bankverbindung für die Spende lautet:

Bank: Zagrebačka banka d.d.
Kontoinhaber: Grifon
Verwendungszweck: Spende für Grifon
IBAN: HR60 2360 0001 1024 4619 4
SWIFT/BIC: ZABAHR2X

Gänsegeier schützen in Kroatien
Vermessung des Kopfes, Foto: Grifon

Kroatien-Liebe: Sucht Ihr für die Beringung der Gänsegeier noch Freiwillige? Wenn ja, bei wem können sich Interessenten melden?

Cornelia: Nein, die Aktion kann nur von Berufskletterern durchgeführt werden.

Kroatien-Liebe: Was sind die größten Gefahren, denen die Gänsegeier derzeit ausgesetzt sind?

Cornelia: Zu den größten Bedrohungen zählt auf jeden Fall der touristische Druck. Gerade während der Aufzucht der Jungtiere werden sie massiv gestört durch Ausflugsboote, die während der Urlaubssaison alle 20 Minuten viel zu nah an den Nestern vorbeifahren. Geier sind sehr scheue Tiere. Oft trauen sich die Brutpaare tagsüber nicht zum Nest. Viele Jungtiere sind dadurch unterernährt, was gerade bei einem Tier im Wachstum massive Schäden verursachen kann. Das Küken bekommt kaum Flüssigkeit in Form von Nahrung und ist ohne die schattenspendenden Flügel seiner Eltern der sengenden Sonne ausgesetzt.

Gänsegeier in der Rettungsstation Crnika von Grifon
Gänsegeier in Kroatien, Foto: Grifon

Gänsegeier achtsam beobachten

Kroatien-Liebe plädiert für einen achtsamen Umgang mit der Flora und Fauna in Kroatien und überall auf der Welt. Klatschende und johlende Urlauber, die Greifvögel aus nächster Nähe fliegen sehen wollen, können den Küken Panik einjagen, so dass sie aus den Nestern stürzen und im Meer verenden.

Gänsegeier-Beobachtungen per Boot empfehlen sich nur entlang der unbewohnten Insel Prvić, wo die Nester so weit über dem Meeresspiegel angesiedelt sind, dass Störungen weitestgehend ausgeschlossen sind. Auch dort gilt: Bitte seid still, schaut und staunt.

Weitere Informationen über den Verein Grifon und die Beringung der Gänsegeier erhaltet Ihr auf Facebook. (as)

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Autor

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Annika Senger
Annika Senger ist Gründerin und Chefredakteurin des Reise- und Kulturportals Kroatien-Liebe. Die passionierte Bloggerin und Reisevermittlerin interessiert sich für Reisen, Musik, Literatur, Sprachen, Kochen und Fotografie.
Adresse: Berlin, Deutschland

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