Radtour in Baranja: Weinstraßen zwischen Osijek und Beli Manastir

Radtour in Baranja mit Weinbergen

Es sind unbekannte Pfade, auf denen ich radle. Nicht für die Einheimischen, sondern eher für den Tourismus. Für Urlauber ist der äußerste Osten von Kroatien ein vergleichsweise unerschlossenes Gebiet. Dabei zeigt Slawonien ein ganz anderes Gesicht des Landes als die Adriaküste – eines, das vor allem Weinliebhabern gefallen dürfte. Nachdem ich am Vortag durch den Naturpark Kopački rit bis nach Batina und zurück gedüst bin, mache ich eine zweite Radtour in Baranja.

Sie führt mich durch Dörfer, Weinberge bis zum ethnologischen Zentrum in Beli Manastir. Ein großer Teil der knapp 30 Kilometer langen Strecke von Osijek bis in die Stadt im Nordosten von Baranja gefällt mir zum Radfahren überhaupt nicht. Was sicher auch daran liegen mag, dass ich als Ortsfremde die Schleichwege nicht kenne und stur den Schildern nach Beli Manastir folge. Ich strampele über eine Landstraße mit viel Verkehr und so manchem dröhnenden LKW, der dicht an mir vorbeibrettert. Einen Radweg gibt es nicht.

Radtour in Baranja
Foto: Kroatien-Liebe

Im ethnologischen Zentrum in Beli Manastir

Ein bisschen missgestimmt und durchgeschwitzt komme ich in Beli Manastir an und schaue mich im Stadtzentrum um. Es besteht aus tristen, grauen Betonbunkern Marke Ex-Jugoslawien. Für meinen Geschmack lohnt es sich nicht, dort viel Zeit zu verbringen, so dass ich mich schnell wieder auf den Sattel schwinge und das ethnologische Zentrum in der Ulica Kralja Tomislava 70 ansteuere.

Es ist ein recht unscheinbares Gebäude, wo zwischen 1986 und 1991 ein Kindergarten untergebracht war. Nach dessen Schließung wohnten dort mehrere Familien. Die Idee, im Haus und im Hof ein ethnologisches Zentrum zu eröffnen, entstand 2009. Der Verband „Hrvatska žena“ (zu Deutsch: Kroatische Frau) wusste nicht, wohin mit den vielen historischen Ausstellungsstücken, die sich im Laufe der Zeit angesammelt hatten. In Zusammenarbeit mit der Stadt, dem Gewerbeverband und dem Zentrum für Kultur in Beli Manastir entwickelte der Verein Pläne für das Etnološki Centar Barajnske Baštine (Ethnologisches Zentrum Baranjas Erbe).

Dreimal wurde das Projekt für EU-Fonds angemeldet, 2014 akzeptiert, so dass das Zentrum im Mai 2016 dank der Zuschüsse seine Pforten öffnen konnte. Eine Mitarbeiterin zeigt mir die Dauerausstellung, die einem alten Bauernhaus in Baranja nachempfunden ist.

Ausstellung im ethnologischen Zentrum Beli Manastir
Foto: Kroatien-Liebe

Ländliches Leben in Baranja

Wir gehen durch Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche. An den Wänden hängen Schwarzweiß-Fotografien von Menschen, die vor langer Zeit in der Region lebten und Landwirtschaft betrieben. Typisch für ihre Häuser war ein geschlossener Ofen mit Sitzecke für kalte Tage. Das Besondere daran: Die Ofenwände wurden aus Matsch (kroatisch: blato) gefertigt und getrocknet.

Bauernhaus in Baranja
Foto: Kroatien-Liebe

Ich betrachte Tongefäße, Heimtextilien, Möbelstücke mit bunten Stickereien und erfahre, wie sich die Menschen bei der Feldarbeit und auf Dorf-Hochzeiten kleideten. Das Zentrum verdeutlicht dabei den Multikulturalismus in Baranja: Kroaten, Serben und Ungarn trugen unterschiedliche Trachten, und zwar nicht nur am Leib. Die Volksgruppen haben unter anderem auch ihre eigenen Tischdecken.

Ethnologisches Zentrum Beli Manastir
Foto: Kroatien-Liebe

Eine multikulturelle Region in Kroatien

Noch heute existieren im Umland von Osijek Dörfer, in denen die ungarische Minderheit überwiegt und sich Sprachbarrieren zwischen den Menschen auftun. Wie mir mein Gastgeber Vladimir aus dem Osijeker Gästehaus Maksimilian erklärt, sei es für Kroaten unheimlich schwierig, Ungarisch zu lernen. Anfeindungen zwischen den ethnischen Gruppen gebe es aber keine.

Ich kann es nachvollziehen: Bei einem Kurztrip nach Budapest hatte ich 2017 echte Probleme mit der ungarischen Sprache! In einige dieser Ortschaften gelange ich auf dem Rückweg, beispielsweise nach Vardarac, wo ich mich im Restaurant mit dem ungarischen Namen Darócz bei Kaffee und Kuchen entspanne. Vor dem Haus steht eine riesige, bunte Figur eines Hahns, die vor allem bei den anwesenden Kindern für Begeisterung sorgt.

Hahn vor dem Restaurant Darócz in Vardarac
Foto: Kroatien-Liebe

Mittagessen im Ethno-Dorf Karanac

Als ich das ethnologische Zentrum von Beli Manastir verlassen habe, bin ich klüger und halte mich von der lauten Landstraße fern. Kurz hinter dem Ortsausgang biege ich nach links ab und erreiche ein paar Minuten später das Ethno-Dorf Karanac. Während andere Dörfer in Slawonien und Baranja teils verfallen und verlassen wirken, scheint Karanac hübsch für Touristen hergerichtet zu sein.

Ethno-Dorf Karanac Kroatien
Foto: Kroatien-Liebe

Die traditionellen Bauernhäuser haben kräftig bunte Fassaden, deren Anstrich noch nicht allzu lange her sein kann. In der ehemaligen Handwerkerstraße (Obrtnička ulica) erzählen etwa 30 Handwerksbetriebe, darunter Töpfereien, Webereien und Schreinereien, vom ländlichen Leben.

Barajnska Kuca Karanac
Foto: Kroatien-Liebe

Meine Gastgeber haben mir das Restaurant Barajnska Kuća wärmstens empfohlen. Es hat den Charme eines heimeligen Bauernhauses – ein uriger Ort, um bei einer Radtour in Baranja Mittag zu essen. Die Speisekarten wartet auf mit slawonischen Speisen wie Kulen (getrocknete Paprikawurst) oder Čobanac. Ich bestelle mir gefüllte Paprika mit Kartoffeln. Diese vegetarische Variante habe ich sogar schon selbst gekocht! Obwohl Slawonien eher für deftige, fleischige Kost bekannt ist, handelt es sich um ein landestypisches Essen, das dank der ebenfalls landestypisch großen Portion super sättigt.

Gefüllte Paprika mit Kartoffeln
Foto: Kroatien-Liebe

Radtour in Baranja durch Dörfer und Weinberge

Ich speise auf der Terrasse, wo mir Gläser mit eingemachtem Obst auffallen. Früchte, Gemüse und Marmeladen werden in vielen Dörfern auf meiner Radtour in Baranja angeboten – häufig zahlt man an der Kasse des Vertrauens. Man nimmt sich einfach die gewünschten Naturalien und legt Geld in ein Kästchen. Diese Art und Weise kenne ich auch aus dem Berliner Umland. Egal ob Äpfel, Birnen oder selbstgemachte Marmeladen, die Verkäufer glauben an die Ehrlichkeit der Landbevölkerung und derer, die sich aufs Land verirren.

Obst aus Slawonien
Foto: Kroatien-Liebe

Hinter Karanac beginnt ein grünes „Gebirge“ mit Weinbergen und Haselnuss-Hainen. Während die Landschaft in Slawonien und Baranja weitgehend flach ist und man beim Radeln mühelos vorwärts kommt, benötigt man in den Hügeln ein bisschen mehr Kondition. Zum Glück sitze ich auf einem Mountainbike mit Kettenschaltung und vielen Gängen. Das Einzige, was mich wirklich nervt, ist der harte Sattel, der meinen Allerwertesten malträtiert und mich immer wieder zu Pausen zwingt. Aber das ist auch gut so: Immerhin habe ich mir vorgenommen, möglichst viel von der Region zu sehen und nicht nur meine Kondition zu trainieren.

Die Reben in den Weinbergen hängen voller Trauben. Mitte September findet die Lese statt. Auf einem Aussichtspunkt wird die Ernte mit einem Volksfest zelebriert, erzählt mir Vladimir. Ich reise zwar einen Tag nach dieser Radtour in Baranja schon wieder ab, aber nicht ohne slawonische Weine im Gepäck. Wo ich die abgestaubt habe, erfahrt Ihr demnächst hier im Blog! (as)

Autor

client-photo-1
Annika Senger
Annika Senger ist Gründerin und Chefredakteurin des Reise- und Kulturportals Kroatien-Liebe. Die passionierte Bloggerin und Reisevermittlerin interessiert sich für Reisen, Musik, Literatur, Sprachen, Kochen und Fotografie.
Adresse: Berlin, Deutschland

Kommentare

Schreibe einen Kommentar