Die Hrvatska Noc 2017 ist DAS kroatische Musik-Event in Deutschland! Einmal pro Jahr geben sich Stars aus Kroatien auf der Bühne der Fraport Arena in Frankfurt am Main die Klinke in die Hand. Nachdem ich das Mega-Konzert schon zum zweiten Mal auf der Website angekündigt habe, schaffe ich es an diesem 11. November endlich, hautnah dabei zu sein – so nah, dass ich nach den Künstlern greifen könnte.
Mir ist klar, dass es eine seeeehr lange kroatische Nacht wird. Am frühen Nachmittag verlasse ich Berlin und weiß, dass ich 22 Stunden später bei meiner Rückkehr kein Auge zugemacht haben werde. Die Hrvatska Noć ist es mir wert!
Tiho Orlić feiert Debüt bei der Hrvatska Noc 2017
Gegen 19:30 Uhr betritt der erste von insgesamt neun Acts die Bühne. Tiho Orlić und seine Band machen den Opener. Der fesche Dunkelhaarige aus Split singt zum allerersten Mal bei dieser Veranstaltung und zu dem Anlass schmettert er natürlich auch seine Ohrwürmer wie „Ostani“ oder „Daleko je“. Mit seinen eingängigen rockig, poppigen Songs hat er mir schon 2016 in Berlin gefallen!
Prljavo Kazalište: 40-jähriges Jubiläum
Auf keinen anderen Act freue ich mich so sehr wie auf den zweiten: Die Zagreber Band Prljavo Kazalište ist nicht nur legendär, sie hat auch meine Liebe zu kroatischer Musik mitentfacht. Live-Konzerte gibt sie nur noch selten, aber bei der Hrvatska Noc 2017 packt die Gruppe die Gelegenheit beim Schopfe, ihr 40-jähriges Jubiläum zu feiern.
Sänger Mladen Bodalec tanzt derartig frenetisch, dass man kaum so schnell den Auslöser drücken kann. Er ist voll in seinem Element und klettert sogar in den Pressegraben, um seine Fans in der ersten Reihe zu begrüßen. Die sind total aus dem Häuschen und schießen Selfies mit ihrem Idol.
Im Laufe der Show machen die Tanzeinlagen dem 58-Jährigen sichtlich zu schaffen. Kurzzeitig scheint sein Kreislauf zu kollabieren, so dass Gitarrist Jasenko Houra für ein paar Gesangspassagen einspringt. Nach einer kleinen Pause ist Mladen wieder fit und spielt weiter mit dem Publikum. Aus dem Punk-Hit „Mi Plešemo“ (Wir tanzen) macht er „Mi Pijemo“ (Wir trinken) und torkelt mit einer Bierflasche über die Bühne. Die Zuschauer amüsieren sich köstlich und grölen lautstark den veränderten Refrain mit.
Besonders emotional wird die Stimmung bei den Balladen von Prljavo Kazalište – allen voran „Mojoj Majci (Ruža Hrvatska)“ … Als die Band damit am 17. Oktober 1989 bei einem Konzert auf dem Zagreber Trg republike (dem heutigen Ban-Jelačić-Platz) ihren großen Durchbruch erlebte, war das Lied verboten und die Mitglieder riskierten einen Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen – wegen der Metapher „kroatische Rose“!
Umso lauter wird diese Passage 28 Jahre später mitgesungen und die Šahovnica dabei stolz durch die Luft gewirbelt. Fans kommen sogar mit Flaggen auf die Bühne marschiert und vorher erlauben die kroatischen Rolling Stones einem Jungen aus dem Publikum, mit ihnen Gitarre Gitarre zu spielen. Von Star-Allüren keine Spur!
Jole, die charmante Stimmungskanone
Nach meinen persönlichen Lieblingen folgt ein Auftritt von Jole. Der Solokünstler wurde 1972 in Heilbronn geboren und ist eine charmante Stimmungskanone. Er flirtet unentwegt mit den Kameras im Pressegraben und sammelt mit seiner positiven Ausstrahlung sofort Pluspunkte. Mit seinem schmissigen, folkloristische angehauchten Repertoire wäre er die musikalische Idealbesetzung für eine Hochzeit in Kroatien!
Pravila Igre: eine kroatische Boyband
Die Jungs von Pravila Igre lassen sicher reihenweise Teenie-Herzen höher schlagen. Mit dem Song „Zagrli me“ (Umarme mich) ist die Boyband zurzeit weit oben in den HR-Charts vertreten. Der neue Sänger Ivan Penezić kommt ein bisschen wie ein kroatischer Justin Bieber daher und an der Gitarre rockt Miroslav Škoros Sohn Matija. Der ist seit Kurzem offizielles Bandmitglied.
Petar Grašo: (k)ein Ersatz für Oliver
Kurz nach Mitternacht steht anstelle von Oliver Dragojević Petar Grašo auf der Bühne. Zur Trauer vieler musste die „Stimme der Adria“ den Auftritt bei der Hrvatska Noc 2017 wegen einer schweren Krankheit absagen. Niemand kann ein Unikat wie Oliver würdig ersetzen, doch wenn man jegliche Vergleiche abschaltet, macht Petar eine tolle Show.
Der attraktive 41-Jährige stammt ebenfalls aus Split und unterhält das Publikum mit soliden Pop-Songs, die stilistisch an Oliver erinnern. Auch er begleitet sich bei langsamen Nummern selbst am Keyboard.
Mate Bulić: der König der Diaspora
Auf den nächsten Act haben zahlreiche Zuschauer nur gewartet. Junge Mädels schreien aus voller Kehle: „Mate Bulić!!!!!“ Nicht nur das weibliche Geschlecht ist völlig verrückt nach dem „König der Diaspora“, den ich wegen seiner Musik bestimmt nie zum König krönen würde. Obwohl seine Töne regelmäßig neben der Spur landen, ist Mate ein sympathischer älterer Herr, der sich im VIP-Raum volksnah gibt und auf der Bühne betont: „Ich bin einer von euch!“
Seine volkstümlichen Klänge lösen bei seinen Fans Stürme von Begeisterung aus. Ja, es ist doch wunderschön zu beobachten, wie ein Mensch andere so glücklich machen kann!
Miroslav Škoro: Kroatiens Superstar
Noch mehr Glücksgefühle löst der absolute Superstar des Abends aus: Miroslav Škoro. Zu Beginn und am Ende seiner Show legt eine kroatische Tanzgruppe aus dem Frankfurter Umland eine flotte Sohle aufs Parkett. Zwischenzeitlich darf auch Matija an der Gitarre nicht fehlen. Miroslav hat nicht nur eine warme, einschmeichelnde Stimme, er ist außerdem ein wandelndes Politikum.
Bei keinem anderen Musiker wehen hinter mir so viele kroatische Landesfahnen wie bei seinem Gig. Anstelle von Schlüpfern, BHs und Blumen fliegt die Šahovnica in mehrfacher Ausfertigung auf die Bühne. Miroslav hebt sie auf, wickelt sie sich um den Arm und schwenkt ein Exemplar mit der Aufschrift „Proud to be Croatian“.
Wie schon 2016 in Berlin hält er eine kleine Ansprache und lobt Kroatien in den höchsten Tönen. Dann stimmt er an: „Domovina u venama …“ (Heimatland in den Adern). In einem Land, in dem der Begriff „Heimat“ negative Assoziationen hervorruft und aus „Heimat-Liebe“ schnell mal „Hummus-Liebe“ gemacht wird, haben die Škoro-Fans eines erkannt: Heimat ist ein Zuhause, ein Fixpunkt, ein Gefühl der Zugehörigkeit. Von Hass auf andere Völker in dieser fröhlichen Menge keine Spur!
Grupa Vigor: sympathischer, kurzer Gig
Gegen vier Uhr in der Frühe dürfen endlich Miroslavs Zöglinge von der Grupa Vigor eine etwas kurze Show abliefern. Sie sind bei seinem Plattenlabel Campus unter Vertrag und haben auch zusammen mit Miroslav einen Song namens „Merak“ produziert. Zu einem Duett bei der Hrvatska Noc 2017 soll es aber nicht kommen. Trotzdem macht Sänger Mario Roth eine sympathische, stimmungsgeladene Show.
Magazin: Highlight der Hrvatska Noc 2017???
Was den letzten Act der Nacht betrifft, habe ich ein Highlight erwartet. Schließlich schätze ich die 80s-Band Magazin für ihre gefühlvollen Balladen wie „Piši mi“ (Schreib mir). Mit der aktuellen Sängerin Andrea Šušnjara hat sich die 1979 gegründete Gruppe aber keinen Gefallen getan.
Die Blondine hat eine Mickey-Mouse-Stimme, die sie offenbar mit ihrem Outfit zu kaschieren versucht. Ihr funkelndes schwarzes Kleidchen bedeckt nur knapp ihren Allerwertesten und neigt dazu, während ihrer Tanz-Performance noch ein paar Zentimeter nach oben zu rutschen. Einige Male habe ich freie Sicht auf ihr Höschen.
„Sex sells“ scheint für Magazin jedoch nicht zu gelten: Die Halle leert sich bei diesem Auftritt rapide. Auch ich halte den Gesang nicht bis zum Ende aus und mache mich mit Ana aus dem Team von CroVoc auf den Weg zum Bahnhof. Von der Hrvatska Noc 2017 werden wir beide bestimmt noch lange zehren! (as)
Kommentare