Die 23 Quadratkilometer große Insel Molat ist der erste Stopp auf meinem Segeltörn im Archipel von Zadar. Verschlafen und idyllisch wirkt sie, als wir mit der Bavaria 37 im Hauptort anlegen.
Am Kai steht ein alter, ramponierter Yugo. Es scheint, als habe sein Besitzer das rote Auto vor 26 Jahren dort abgestellt und seit Kroatiens Unabhängigkeit nicht mehr gefahren. Ein Kater kommt vorbeispaziert und hebt neben dem rechten Vorderrad sein Bein. Ich kann gar nicht so schnell meine Kamera zücken, wie die rothaarige Samtpfote das Gefährt bepinkelt …
Früher ein Paradies für den Fischfang
In der Hafenkneipe gegenüber hat sich ein Grüppchen älterer Herren zum Nachmittagsplausch getroffen. Wir – meine Mitreisenden Sabine, Thorsten, Patrick und ich – wollen die Verlängerung des Sommers auskosten und baden.
In den Gassen von Molat begegnen uns mehr streunende Katzen als Menschen. Dass die Insel im Mittelalter ein Paradies für den Fischfang war, spürt man nicht mehr. Laut Matthias Koefflers Reiseführer Dalmatien leben im Ort nur noch zwei Fischer, während ein Großteil der Inselbevölkerung seinen Lebensunterhalt in Zadar verdient.
Einst Promi-Reiseziel & Honig-Insel
In früheren Zeiten war die Insel Molat ein Reiseparadies für Celebrities. Zu diesen berühmten Persönlichkeiten gehörten beispielsweise der britische König Edward VIII. und dessen Geliebte Wallis Simpson, die vom Käse und Wein der Insel schwärmten.
Käse wird seit 1970 nicht mehr hergestellt. Auch der Honig, der Molat seinen Namen verliehen hat, ist nur noch ein Liebhaberprodukt von Hobby-Imkern. Die alten Römer hatten das Eiland Mellitus getauft (lateinisch: mel = Honig), denn das Bienenerzeugnis magnetisierte sie mit seiner Süße. Von den Herrschern des Mittelmeers zeugen heute einige bemeißelte Steine und Schiffswracks in der Bucht Jakinska.
Farbgewaltige türkise Adria
Unser Weg zum Strand führt vorbei am dörflichen Friedhof. Die Gräber in der hintersten Reihe wirken wie Reihenhäuser auf dalmatinische Art – nichts Ungewöhnliches im Süden von Europa, wo der Tod offenbar wie ein Umzug in ein neues Zuhause zelebriert wird.
Als wir den Hügel überquert haben, lockt die Adria mit türkis schimmernder Klarheit. Bei diesem farbgewaltigen Anblick nehmen wir gerne in Kauf, dass wir über ein Betonplateau ins Wasser steigen müssen. Meine Fotos benötigen jedenfalls keine Filter!
Eine Sache sollte man an diesem Strand auf der Insel Molat unbedingt dabei haben: Badeschuhe. Auf und zwischen den Felsen in Ufernähe wimmelt es von Seeigeln. Man sieht sie zwar gut, aber schnell ist man ausgerutscht und plötzlich endet das Sonnenbad unangenehm für alle Beteiligten. Wir lassen es uns am 27. September 2017 im Meer einfach nur gut gehen. Am Himmel zieht kaum ein Wölkchen auf und von zu kalt kann bei der Wassertemperatur noch keine Rede sein.
Konzentrationslager auf der Insel Molat
Auf dem Rückweg in den Ort werden wir mit dem wohl dunkelsten Kapitel der Insel Molat konfrontiert. Schon von Weitem entdecken wir einen von fünf Wachtürmen des ehemaligen Konzentrationslagers, das italienische Faschisten dort 1942 errichteten. Schaut man genauer, erkennt man unter dem Gestrüpp die Überreste der zwölf Baracken für die Gefangenen.
An einem der Türme wurde am 7. September 2003 eine Gedenktafel angebracht. Darauf steht geschrieben: „Im Zweiten Weltkrieg hat der italienische faschistische Besatzer vom 30. Juni 1942 bis zum 8. September 1943 an dieser Stelle ein Konzentrationslager gegründet.“ 20.000 Inhaftierte seien laut Tafel durch das KZ geschleust worden, 1.000 davon gestorben. Es handelte sich hauptsächlich um Widerstandskämpfer, die der prallen Sonne ausgesetzt waren und pro Tag mit einem halben Liter Wasser auskommen mussten.
Im Dorf Molat, das eigentlich mit seinem gelben Kirchturm Bilderbuchcharakter hat, erinnert ein Denkmal an die rund 50 Inselbewohner, die im Lager interniert gewesen sein sollen. Dass das KZ kaum länger als ein Jahr existierte, ist dem Waffenstillstand mit den Alliierten Anfang September 1943 zu verdanken.
Obwohl ich so im Einklang mit mir selbst ins Meer springe, spüre ich auf Molat schon einen vagen Anflug von negativer Energie, als ich vom Boot steige. Wirklich erklären kann ich sie mir nicht, doch die Konfrontation mit der Geschichte erklärt den Schatten über der Insel-Idylle später nur zu gut. (as)
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