Andere Länder, andere Sitten? An einem total verregneten Tag Ende Mai stoße ich zumindest in Karlovac auf kulturelle Unterschiede zwischen Kroaten und Deutschen. Das tagelange Mistwetter hat meine Reiseplanung ein wenig durcheinandergebracht. Statt ausgiebig in die Flusslandschaften in der Region einzutauchen, wandern und Kajak zu fahren, überlege ich mir eine Alternative. In Deutschland entspanne ich an ungemütlichen Tagen gerne in einer Therme.
Schwimmen, mir im Whirlpool von Wasserstrahlen den Rücken massieren lassen, in der Sauna und im Dampfbad schwitzen – das ist genau mein Ding! Ich frage Google, ob es in Karlovac einen Wellness-Tempel gibt, wo all das möglich ist. Ratzfatz werde ich fündig und begebe mich nach dem Besuch des Aquariums dorthin. Der Eintritt kostet nur 70 Kuna – knapp zehn Euro, in deutschen Thermen darf man damit vielleicht in den Abendstunden eine Stunde schwimmen.
Kulturelle Unterschiede in der Therme
So lange ich Lust habe, darf ich in Karlovac die Annehmlichkeiten nutzen: Schwimmbecken, Whirlpools, Sauna und Dampfbad. Das ist alles, wonach ich unter dem grauen Himmel verlange. Die Sonne hat sich ja entschieden, über den Wolken zu scheinen. Ich schlüpfe in meinen Badeanzug und ziehe ein paar Bahnen in der nahezu menschenleeren Schwimmhalle, die wie ein architektonisches Überbleibsel aus Titos Ära wirkt. Am hinteren Ende des Swimmingpools verleiht eine Tapete mit einem Motiv der Plitvicer Seen dem Ambiente einen spärlichen Farbtupfer. Die Fotos im Internet sind offenbar bearbeitet worden …
Ansonsten ist die Therme mit Schildern in kroatischer Sprache verziert. Sie betreffen den Dresscode: In der Sauna und im Dampfbad ist es zwingend notwendig, die Badesachen am Körper zu behalten. Nicht nur dort – sogar unter der Dusche. Der Grund für die Benimmregeln liegt auf der Hand. An all diesen Orten begegnen sich – oh Schreck – Männer UND Frauen. Zähneknirschend akzeptiere ich, dass hier wohl kulturelle Unterschiede existieren und bleibe in der Sauna und im Dampfbad angezogen.
Herzlich willkommen im untouristischen Kroatien
Allzu lange halte ich es nicht aus. Mein nasser, heißer werdender Badeanzug klebt auf der Haut. Statt Entspannung stellt sich schlechte Laune ein und plötzlich fange ich an zu lachen.
„Herzlich willkommen im untouristischen Kroatien!“, sagt eine Stimme in mir. „Das hast du doch so gewollt.“
Ein paar Tage zuvor war ich Gastbloggerin in einem luxuriösen Hotel-Spa in Novigrad. Einheimisch war dort nur das Personal und die vorwiegend deutschen und österreichischen Urlauber durften ungeniert hüllenlos relaxen.
Was in Thermen in Deutschland gang und gäbe ist, scheint in Kroatien verboten zu sein: Nacktheit. Sobald aber alle Anwesenden die Hüllen fallen lassen, empfindet der Mensch das rasch als natürlichen Zustand ohne Begierde und Fleischeslust. Unnatürlich würde nur der einzige Angezogene unter Nackten wirken!
Konservatives kroatisches Volk?
Mit diesem Gedanken fläze ich mich in den Whirlpool. Wohl ein bisschen lange und mit zu genüsslichem Gesichtsausdruck. Nach einer Weile kommt ein Bademeister vorbei und fragt mich mit dem Tonfall eines Anstands-Wauwaus: „Sve u redu?“ Alles in Ordnung?
Irgendwann reicht es mir. Ich dusche im Badeanzug, packe meine Sachen und fahre weiter nach Zagreb. Als ich dort mehreren kroatischen Bekannten von meinem Thermen-Erlebnis berichte, sagen die Sachen wie: „Dieses Volk ist zu konservativ!“
Zum Glück handelt es sich um kulturelle Unterschiede, die ich leicht annehmen kann. Eigentlich bin ich noch nie nach Kroatien gereist, um in die Sauna zu gehen! (as)
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